Sinnvoll strafen - Geht das?

Auch Hunde brauchen das Erlebnis, sich auszuprobieren, um die Resonanz zu spüren und zu sehen, was sie mit ihrem Verhalten auslösen. Dafür gilt: Jeder Hundehalter muss dabei für sich definieren, was erträglich ist und wo man seinem Hund Grenzen setzen möchte. Als Hundehalter muss man aber auch berücksichtigen, was kann der Hund bereits verstehen, oder was muss man noch eine Weile aushalten, bis er vielleicht etwas älter ist. Hunde erleben ihre Welt beispielsweise zunächst über die Schnauze. Das anknabbern von Gegenständen ist somit ein völlig normaler Entwicklungsprozess eines Welpen. Zu lernen es zu unterlassen das Tischbein anzuknabbern, bedeutet nicht zwangsläufig eine negative Konsequenz erfahren zu müssen. In solchen Fällen wären negative Reaktionen auf den Welpen ggf. sogar schädlich für seine weitere Entwicklung, ein Alternativangebot zum Tischbein hingegen sinnvoller.
Es ist wichtig einem Hund Grenzen aufzuzeigen und dies erfolgt über negative Konsequenzen auf ein unerwünschtes Verhalten. Diese sollten genau so wirkungsvoll wie verhältnismäßig sein, damit diese vom Hund verstanden werden, ihn aber nicht verängstigen oder in der Verhaltensentwicklung unterdrücken.
Damit dies gelingt, ist es wichtig jegliches Verhalten eines Hundes in vier Reaktionskategorien einzuteilen.
- Aktion
- Aversion
- Appetenz
- Hemmung
Zudem ist wichtig, dass Verhalten aus der Motivation des Hundes heraus zu betrachten und einzuschätzen. Egal ob der Hund sich aggressiv, flüchtend oder spielerisch zeigt, es kommt viel mehr darauf an aus welcher Emotion heraus er dies tut. So kategorisiert man jegliches positiv motiviertes Verhalten eines Hundes als Aktion. Jedes negativ emotionale Vermeideverhalten als Aversion. Jedes positiv motivierte Verhalten in Bezug auf ein Ankündigungsreiz als Appetenz und jedes Unterdrückungsverhalten als Hemmung.
Vier Beispiele:
Aktion
Springt ein Hund seinen Menschen bei der Begrüßung an, ist davon auszugehen das der Hund dies aus einer positiven Emotion heraus tut. Das dieses Verhalten vom Menschen ggf. als unerwünscht definiert wird, ändert an der positiven Motivation dies zu tun erstmal nichts. Futter auf der Straße liegen zu lassen und nicht aufzunehmen, ist für den Hund etwas ganz normales und positiv motiviert. Dass ein Mensch dies als unerwünscht betrachtet, ändert daran nichts.
Aversion
Ein Vermeideverhalten vor etwas, ist immer angstbedingt und somit über ein negatives Emotionserleben aktiviert. Die Angst einen Fahrstuhl zu betreten, oder eine Treppe zu nutzen, in ein Auto zu springen oder zu einer bestimmten Person zu gehen führen zu Ausweichverhalten des Hundes. In diesen Fällen muss analysiert werden, ob das Verhalten ohne erfahrungsbedingte Elemente entstanden ist, oder der Hund bereits negative Erfahrungen gesammelt hat. Es handelt sich immer um eine Aversion, wenn der Hund ein Vermeiden zeigt und ist mit negativen Emotionen besetzt.
Appetenz
Alle Verhaltensweisen, die ein bestimmtes Ziel verfolgen und dabei durch etwas Bestimmtes ausgelöst wurden gehören in diese Kategorie. Der Mensch kann seinem Hund beispielsweise durch immer wiederkehrende Verhaltensweisen etwas ankündigen. Beispielsweise nimmt er den Wohnungsschlüssel, zieht Schuhe und Jacke an. Der Hund zeigt Aufregung, kann kaum still sitzen da er im Bewegungsmodus ist. Der Ablauf seines Menschen kündigt ihm an, dass Auslauf die Konsequenz darauf ist. Also reagiert er schon auf diese Ankündigung, obwohl die Tür noch geschlossen ist. Da er gern in Bewegung ist, erlebt er dabei eine positive Emotion. Das Verhalten daraus, kann Mensch aber schon ganz schön nerven.
Hemmung
In diese Kategorie fallen Unterdrückungsverhalten. Der Hund möchte das eine, muss aber das andere. Er führt sein bedürfnisorientiertes Verhalten nicht aus, weil er beispielsweise negative Konsequenzen vermutet. Zwang zu einem bestimmten Verhalten kann dies hervorrufen. Ein Hund erlebt dabei negative Emotionen, da es sich um ein Unterdrückungsverhalten handelt. Es fällt aber auch Verhalten in diese Kategorie, bei dem sich der Hund selbst hemmt. Beispielsweise wenn ihm etwas abverlangt wird, was er sich nicht zutraut. Über ein Hindernis zu springen, oder seinem Menschen in den Badesee zu folgen. Die Hunde „tänzeln“ dann zu meist vor der Situation.
Wann nun also negative Konsequenzen auf ein unerwünschtes Verhalten?
Möchte man als Mensch ein hündisches Verhalten korrigieren, weil man es als unerwünscht und nicht passend betrachtet, sollten negative Konsequenzen nur bei den Verhaltensweisen erfolgen, die vom Hund positiv motiviert erfolgen. Somit kommen negative Konsequenzen auf ein unerwünschtes Verhalten des Hundes nur bei Verhaltensweisen aus den Verhaltenskategorien der Aktion oder Appetenz in Betracht.
Zeigt ein Hund Verhaltensweisen der Verhaltenskategorien Aversion oder Hemmung, ist der Hund über Motivationsmittel im Verhalten zu korrigieren. Diese Verhaltenskategorien agieren trainingstechnisch auch als Gegenspieler.
Ein unerwünschtes Verhalten aus der Verhaltenskategorie Aktion wird in eine Aversion umgewandelt. Futter auf der Straße ist zu vermeiden. Ein unerwünschtes Verhalten aus der Verhaltenskategorie der Aversion wird in eine Aktion umgewandelt. Die Angst ist zu nehmen und eine positive Erlebniswelt, beispielsweise zum Treppensteigen oder zum Auto fahren, aufzubauen.
Ein unerwünschtes Verhalten aus der Verhaltenskategorie der Appetenz, kann in ein Unterdrückungsverhalten zur Selbstkontrolle umgewandelt werden. Beispielsweise muss der Hund, wenn sich sein Mensch die Jacke anzieht oder der Schlüsselbund klappert, auf seinem Platz liegen bleiben. Ein unerwünschtes Verhalten aus der Verhaltenskategorie der Hemmung, wird mit einer Appetenz korrigiert. Ein zunächst unbekanntes Signal wird außerhalb der gehemmten Situation mit einer positiven Emotion verknüpft, beispielsweise Clicker kündigt Futter an. Dieses Signal wird in die gehemmte Situation gebracht und das gehemmte Verhalten deaktiviert.
Aggressionsverhalten eines Hundes wird zumeist durch negativen Emotion ausgelöst und begleitet. Es gibt aber auch positiv motiviertes Aggressionsverhalten. Auch bei Hunden kann sich die Anwendung von aggressiven Verhaltensweisen gut anfühlen. Es entsteht etwas, was als Mobbing bezeichnet wird. Diese Hunde sind in der Regel ständig, wiederholend und regelmäßig daran interessiert, zu meist Artgenossen zu schikanieren, zu quälen und zu verletzen.
Aggressionsverhalten welches negativ Motiviert ist, also aus Angst heraus erfolgt, gehört also in die Kategorie der Aversion. Es gibt auch ein offensives Vermeideverhalten, welches das Ziel verfolgt Verhaltensweisen so einzusetzen, dass der Andere die Distanz vergrößert. Meistens entsteht dies bei Hunden, die flüchtend und ausweichend nicht erfolgreich waren.
Wobei Mobbing und aggressive Manipulation als Verhalten in die Kategorie Aktion eingestuft werden müssen. Bei der Aggression, aversiv motiviert, sollten keine negativen Konsequenzen erfolgen. Einfach schon deshalb, um die negative Emotion nicht zu stärken. Dieser Hund benötigt positive Erfahrungen mit dem Begegnungsreiz. Hingegen bei aggressivem Verhalten, aktionsmotiviert, unbedingt negative Konsequenzen ein Verhaltensaversion aufbauen sollten.
Zusammenfassend ein Überblick
- Aktion = positiv motiviertes Verhalten – korrigierbar durch negative Konsequenzen zu einer Aversion
- Aversion = negativ motiviertes Verhalten – korrigierbar über positive Einflüsse zu einer Aktion
- Appetenz = positiv motiviertes Verhalten – korrigierbar über negative Konsequenzen zu einer Hemmung
- Hemmung = negativ motiviertes Verhalten – korrigierbar über positive Signale zu einer Appetenz
Fazit: Ein soziales, ausgeglichenes, allgemeinverträgliches Hundewesen zu erziehen bedeutet negative Konsequenzen auf bestimmte Verhaltensweisen nicht zu unterdrücken!
DogCoach Enrico Lombardi erörtert das Thema auf seinem Youtube-Kanal