Verhaltenstherapie für Hunde - Der Weg ist das Ziel

Bei dieser Arbeit funktioniert das klassische Methodendenken zu Lerntechniken einiger Trainer selten, da man sich auf das Verhalten konzentriert und nicht so sehr auf die Ursache die dazu führt. Um eine funktionierende Verhaltenstherapie einzuleiten, gilt es zunächst die Ursache des hündischen Verhaltens zu ermitteln. Dieser so wichtige Prozess wird von unerfahrenen Trainern sehr gern übersprungen. Er bildet aber die wichtigste Aufgabe im verhaltenstherapeutischen Prozess. Analysiert der Trainer nämlich nur das Verhalten und nicht auch die emotionale Ursache die dazu geführt hat, wird er sich bei seinen Trainingsmaßnahmen nur auf die Verhaltenskorrektur konzentrieren und nicht auf eine Verhaltenstherapie. Nicht selten erhalten Hunde pauschal negative Einflüsse auf das gezeigte Verhalten und werden dadurch lediglich in eine Hemmung gedrückt. Im Ergebnis entwickelt der Hund beispielsweise gar keine neue emotionale Ausrichtung, sondern lediglich ein Unterdrückungsverhalten. Das provoziert negativen Stress, welcher sich fortführend anstauen kann und ggf. irgendwann eine Verhaltenssteigerung einsetzt. Wie bei Menschen führt auch bei Hunden eine Unterdrückung zu gesundheitlichen Einschränkungen und im Verhalten zu Kurzschlussreaktionen. Der hündische Organismus arbeitet nach gleichem Muster, wie der des Menschen, auf Unterdrückung. Im Verhalten können Halter ggf. eine Aggressionssteigerung feststellen. Achtet also drauf, ob der Trainer von dem Ihr Euch eine Lösung des Problems erhofft, die Funktionskette (Auslösung – Verhalten – Konsequenzen des Verhaltens) in vollem Umfang analysiert und in der Lage ist eine entsprechende Diagnose zu erläutern und mögliche Behandlungsziele definiert.
Therapie bedeutet nämlich, sich zunächst am Gesamtzustand des Hundes zu orientieren, dabei alle Einflüsse in die Verhaltensanalyse mit einzubeziehen. Dazu gehört der soziale Einfluss seines Menschen ebenso dazu, wie ernährungsphysiologische und auch Analyse einer möglichen psychischen Entwicklung. Eine spezielle Therapie hat erst dann zu erfolgen, wenn über diese umfangreiche Analyse die Ursache oder die Ursachen ermittelt wurden und eine Diagnose gestellt werden kann. Erst dann werden notwendige Therapieoptionen festgelegt. Das Ziel ist dabei die Beseitigung oder Linderung der analysierten Symptome und die Wiederherstellung oder Schaffung neuer psychischer Funktionen.
Und da die Psyche des Hundes der des Menschen so ähnelt, können dieselben verhaltenstherapeutischen Möglichkeiten angewendet werden. Der in den 50er Jahren von der Forschergruppe um Skinner, Wolpe und Eysenck eingeführte Begriff „Verhaltenstherapie“ steht dabei für eine Vielzahl von Techniken, die auf experimentalpsychologischen Erkenntnissen, insbesondere der Lernforschung, basieren. Als grundlegende Lernprinzipien werden dafür die klassische und operante Konditionierung angesehen.
Bei der klassischen Konditionierung (Signallernen) wird ein ursprünglich neutraler Reiz zum spezifischen Auslöser. Nützliche Reiz- Reaktions- Verbindungen erleichtern in vielen Bereichen den Alltag. Der Hund lernt beispielsweise mit einem Signalreiz eine positive emotionale Verbindung. Ist der Hund positiv gestimmt, wird er nicht aggressiv reagieren. Zeigt sich beispielsweise ein Hund beim Ertönen der Türklingel gestresst oder sogar aggressiv, so sollte er über die klassische Konditionierung eine neue emotionale Ausrichtung zur Türklingel erhalten.
Dem Prinzip der operanten Konditionierung (Lernen am Erfolg) liegt die Beeinflussung von Verhaltensweisen zu Grunde. Erwünschte Verhaltensweisen werden so belohnt, dass dies an Häufigkeit zunimmt. Hingegen wird unerwünschtes Verhalten nicht belohnt, viel mehr erfolgen Nachteile. Am Beispiel unerwünschtem Verhalten beim Ertönen der Türklingel, würde dem Hund Nachteile suggeriert. (kein Öffnen der Tür, Missachtung des Hundes, Belohnungen werden entzogen) Zeigt der Hund hingegen erwünschtes Verhalten, würden sich Vorteile für ihn ergeben (Futterquelle, Sicherheitszone)
In den 60er Jahren wurde der verhaltenstherapeutische Ansatz durch die kognitive Therapie erweitert. Der kognitive Ansatz hebt hervor, dass es nicht die Dinge und Ereignisse selbst sind, auf die Mensch wie Hund reagieren, sondern nur die Gedanken, Gefühle, Einstellungen und Interpretationen zu den Dingen und Ereignissen. Die Bedeutung, die einer Sache gegeben wird, entscheidet über die Reaktionen und Verhaltensweisen darauf. Die Art und Weise, wie die Welt erfahren wird, hängt ganz entscheidend von den in der Kindheit bzw. Welpenzeit erworbenen kognitiven Grundeinstellungen ab. Beim Hund ist die sog. lernähnliche Phase der prägungsähnliche Prozess dafür entscheidend. Womit der Hund in dieser Zeit keine oder falsche Erfahrungen macht, prägt seinen zukünftigen Umgang damit. So muss ein Hund, der keine Erfahrungen mit etwas hat und deshalb Abwehrverhalten entwickelt gegenüber einer Sache, neue und positive Erfahrungen lernen. Er benötigt also die Konfrontation mit dem Reiz, um Erfahrungsdefizite aufzulösen.
Eine der ältesten und am weitesten verbreitete Verhaltenstherapie ist die systematische Desensibilisierung. Zunächst wird dabei eine Angsthierarchie aufgebaut, um deutlich zu machen, welche Situation wie stark angstauslösend ist. In Verbindung mit einem Entspannungstraining wird der Hund sukzessive den unterschiedlichen Angstsituationen ausgesetzt, wobei man mit der beginnt, die am wenigsten Angst verursacht. Grundprinzip dieser Technik ist die reziproke Hemmung von Angst durch Entspannung. Häufig wird diese Form bei Gewitterangst oder Angst bei Feuerwerk angewendet.
Eine weitere Therapieform ist unter Reizkonfrontationsbehandlung oder Reizüberflutungstherapie bekannt. Dabei wird der Hund – ohne Entspannung – gleich dem maximal angstauslösenden Reiz ausgesetzt und motiviert, so lange in der Situation zu bleiben, bis die Angst nachlässt. Die Löschung der Kopplung von Angstreiz und Angstreaktion ist die Folge, und das Vermeidungsverhalten wird umgangen. Bei Konfrontationen in realen Situationen spricht man von „Flooding“ (Überfluten). Diese Art einer Verhaltenstherapie kann auch bei Angstaggressiven Verhaltensweisen erfolgreich eingeleitet werden. Die Angstaggression löst den Angstreiz nicht mehr auf.
Bei der Aversionstherapie wiederum wird ein unangenehmer Reiz direkt an ein unerwünschtes Verhalten gekoppelt. Beispielsweise könnte der Versuch von Aufnahme von Futter auf der Straße mit einem Negativreiz gekoppelt werden. In der Folge entsteht ein Vermeidungsverhalten gegenüber dem Futter auf der Straße. Eine mögliche Therapie um Giftköder vorzubeugen.
Und weiter geht’s mit der kognitiven Therapie, bei der es um das kognitive Umstrukturieren realitätsinadäquater Denkmuster, die für die psychische Störung (Angst) verantwortlich sind. Die „dysfunktionalen Annahmen“, die der Hund hat, sollen durch funktionale Annahmen ersetzt werden. Dieser Vorgang wird als „Umattribuierung“ bezeichnet. Bei Hund werden dazu neue Denkprozesse aktiviert. Dies kann über den Einsatz von Intelligenzspielzeug erzielt werden. Der Einsatz erfolgt außerhalb der Angstsituation. Der Hund lernt durch den Einsatz Bewältigungsstrategien bei Problemen. Er lernt dadurch auch in Stresssituationen nach effektiven und dadurch energiesparenden Verhaltensmöglichkeiten zu suchen. Im Ergebnis wird sich der Hund zukünftig passiver verhalten, statt vielleicht Überreaktionen wie Angstaggression oder Stressverhalten wie jaulen, heulen, bellen zu zeigen.
Zu den Selbstkontrolltechniken gehört das Gedankenstopptherapie, bei dem es darum geht, unerwünschte Gedanken und Grübeln zu unterbrechen. Diese Therapie basiert direkt auf das operante Konditionieren. Hierbei wird gegenüber dem Hund eine Stellvertreterregelung geschaffen. Der Hund wird zunächst einem Reiz ausgesetzt, den er gern erhalten würde. Das kann der Lieblingsball sein, oder eine Futterquelle. Der Hund wird versuchen sein Bedürfnis zu erhalten. Jegliche Versuche werden indirekt unterbunden. Der Hund wird an der Leine so lange vom Reiz abgehalten, bis er lernt das alle Versuche ran zu kommen keinen Erfolg bringen. Sobald das Tier sich passiv und uninteressiert zeigt, wird der Bedürfnisreiz zugänglich gemacht.
Ein weiterer therapeutischer Ansatz ist die Verstärkung. Darunter ist die Anwendung von Verstärkern, um bestimmte Verhaltensweisen zu fördern oder zu reduzieren, zu verstehen. Bei positiver Verstärkung wird eine erwünschte Handlungsweise durch den Einsatz von Verstärkern belohnt. Als Grundlage von positiven Verstärkern kommt nur das in Frage, was der Hund als positiv empfindet. Dazu greift man auf hündische Bedürfnisquellen zurück. Aus seinem Triebgeflecht könnten Elemente seinen Ernährungs-, Beutefang-, Meute-, Spiel-, oder Bewegungstrieb aktivieren.
Ebenso kann durch den Einsatz von negativen Verstärkern die Wahrscheinlichkeit des unerwünschten Verhaltens gesenkt werden. Bleibt hingegen ein gewohnter negativer Verstärker aus – was im Endeffekt wie eine Belohnung wirkt – steigt die Reaktionswahrscheinlichkeit wieder. Deshalb wird der Wegfall eines negativen Verstärkers als negative Belohnung bezeichnet. (Negativ = Entziehen, Belohnung = positives Empfinden) Der Entzug von positiven Verstärkern ergibt den gegenteiligen Effekt, da im Ergebnis ein Nachteil erzielt wird. Deshalb wird der Wegfall von positiven Verstärkern als negative Bestrafung (Negativ=Entziehen, Bestrafung=negatives Empfinden)
In der Anwendung von Verstärkung wird mit beiden, also positiven und negativen Verstärkungsreizen therapiert.
Im Bereich der Angsttherapie arbeitet man auch über die reziproke Hemmung. Entspannung und Angst sind zwei sich gegenseitig hemmende Reaktionen. Diesen psychotherapeutischen Basiseffekt, der die Grundlage der systematischen Desensibilisierung bildet, nenn man reziproke Hemmung oder Gegenkonditionierung. Dazu wird das sog. Prompting (veranlassen, einflüstern) integriert, durch welches das angestrebte Verhalten zunächst manipulativ, direkt herbeigeführt wird. Zum Beispiel durch Motivationsreize oder direkter Führung innerhalb der Situation.
Ein Trainer der verhaltenstherapeutisch tätig wird, sollte nicht nur die einzelnen therapeutischen Methoden kennen, sondern auch Erfahrungen besitzen mit welchen kreativen Ansätzen er die Therapieziele erreichen kann und dies individuell auf das entsprechende Tier und sein Problem zugeschnitten.
Achtet also genau darauf, welcher vermeintliche Therapeut Euern Hund nur konditioniert oder tatsächlich therapiert. Dazu gehört einfach mehr, als an der Leine zu Zuppeln oder Leckerchen zu verabreichen.