Verhältnismäßigkeit als Grundprinzip

Wikipedia definiert folgendermaßen: Der Begriff „Verhältnismäßigkeit“ beschreibt eine Abwägung. Als allgemeines Abwägungsprinzip besagt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: „Kollidierende Interessen, Freiheiten oder Rechtsprinzipien werden nur dann in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt, wenn und soweit das zu wahrende Interesse, Freiheitsrecht oder Rechtsprinzip schwerer wiegt als das ihm aufgeopferte.
Als rechtsstaatliches Prinzip ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für jede hoheitliche Gewalt verbindlich. Es steht in enger Beziehung zum „Übermaßverbot“ und soll, wie dieses, Konflikte von Interessen und Freiheiten zu einem schonenden Ausgleich bringen und gewährleisten, dass diese nicht mehr als nötig geschmälert werden.
Das „Übermaßverbot“ zielt als rechtsstaatliches Prinzip, ebenso wie das Gebot der Verhältnismäßigkeit, darauf, Interessenbefriedigung zu optimieren und soviel Freiheit wie möglich zu erhalten. Hierbei verlangt das Verhältnismäßigkeitsprinzip, dass Eingriff und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, dass also jedenfalls der Nutzen den Nachteil überwiegt. Stehen verschiedene solcher (in diesem Sinne "verhältnismäßiger") Eingriffe zur Wahl, so verlangt das Übermaßverbot, sich für den schonendsten zu entscheiden, d.h. für den, der entgegenstehende Interessen am wenigsten schmälert, mithin das erforderliche Maß einer Interessenbeeinträchtigung nicht überschreitet.
Verhältnismäßigkeit verlangt, dass jede Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine Maßnahme, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist rechtswidrig.
Nun setzen wir die Notwendigkeit der Novellierung des Tierschutzgesetzes, vor allem aber die Erlaubnispflicht nach § 11 und deren Umsetzung ins Verhältnis. Anhand einiger Beispiele wird erst deutlich, in welchem Umfang das Grundprinzip der Verhältnismäßigkeit keine Berücksichtigung findet und wir somit von einer Rechtswidrigkeit ausgehen können.
Thema: Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen als Sachkundenachweis
Als bisher fast ausschließlich anerkannte Ausbildung, welche zu der Erteilung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit als Hundetrainer führt, gilt bundesweit lediglich die IHK Ausbildung zum Hundefachwirt. Teilweise führen andere Abschlüsse aktuell lediglich zu einer befristeten Erlaubniserteilung. Innerhalb dieser Frist wird dem Betroffenen ein Abschluss bei der IHK aufgezwungen. Unabhängig davon ist allerdings nicht erkennbar, was diese IHK Ausbildung von anderen so höherwertig macht und somit in diesem Focus der zuständigen Behörden gelangen konnte. Interessant ist aber, wenn man sich die generelle Ausbildungspolitik der IHK näher betrachtet, dass eine Höherwertigkeit einfach nicht erkennbar wird.
So schaffte es beispielsweise die IHK Potsdam nicht, sich als Bildungsträger für Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Recht der Arbeitsförderung anerkennen zu lassen. Kurios, wenn man bedenkt das es sich bei Ausbildung zum Hundefachwirt IHK/BHV um eine Ausbildung handelt die das Ziel verfolgt ein anerkannter Ausbildungsberuf zu werden. Kein wunder, liegt die IHK mit € 4.570,00 (inklusive Lehrgangsliteratur, zuzüglich Prüfungsgebühr) deutlich über dem Bundeskostensatz für Ausbildungsmaßnahmen. Fördermöglichkeiten über Bildungsgutschein oder Bildungsprämie sind somit ausgeschlossen.
Dieses nicht erhaltene Qualitätsmerkmal scheint bei der Bewertung der Ausbildung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit aber unerheblich zu sein. Die bundesweite Einstufung dieses Ausbildungsabschlusses bewertet ihn dennoch als höherwertig gegenüber den Abschlüssen anderer Ausbildungsstätten.
Die IHK zeigt keine Fortbildungspolitik, sondern eine Umsatzpolitik. Nicht anders ist auch folgender Sachverhalt aus einem anderen Fortbildungsbereich zu erklären. Die Durchfallquote bei einer sog. Türsteher-Prüfung im Sicherheitsbereich liegt statistisch bei 40 bis 60 Prozent. Laut Focus online vom Mittwoch, 26.11.2014 (/Focus/Panorama/Welt) schafften in Neubrandenburg dennoch 91 Hells-Angels-Rocker auf Anhieb und ohne Probleme die notwendige IHK Prüfung. Nun ermittelt das LKA gegen die Männer wegen möglicher Bestechung von IHK-Mitarbeitern. Das Landeskriminalamt (LKA) hat dazu diese 91 Männer ins Visier genommen, die Bestechungsgeld für ihre Arbeitsbescheinigung gezahlt haben sollen. Bis zu 1000 Euro pro Person sollen an Mitarbeiter einer Industrie- und Handelskammer (IHK) in Mecklenburg-Vorpommern geflossen sein, sagte ein LKA-Sprecher in Wiesbaden, laut FOCUS. Ermittlungen laufen daher wegen Bestechlichkeit, erklärte der Sprecher weiter. Eine Möglichkeit auch für Hundetrainer? Die IHK scheint eine sehr vertrauliche Bildungseinrichtung zu sein, mit dem Ziel die Qualität am Hundetrainermarkt zu erhöhen.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) bietet in ihrem Bildungszentrum Potsdam auch den Vorbereitungslehrgang auf die Sachkundeprüfung gemäß §11 Tierschutzgesetzt (TierSchG) an. Die Lehrgangsinhalte werden in 3 Tagen abgehandelt, inklusive dem eigentlichen Prüfungstag. Man verweist vorsorglich darauf, dass für das Bestehen der Prüfung ausreichende Vorkenntnisse und praktische Erfahrungen erforderlich sind. Die Prüfung der Sachkunde gemäß § 11 TierSchG findet unter Vorsitz eines Amtstierarztes statt und ist dann als gleichwertig zum Fachgespräch der zuständigen Behörde anerkannt. Dieser Sachkundenachweis besitzt im Anschluss sogar bundesweite Anerkennung. Nach dem Hells-Angels Modell könnte aber sicherlich vorsorglich das Bestehen der Prüfung definiert und stabilisiert werden. Ein Schelm, der böses dabei denkt!
FAZIT: Durch die vorherrschende Monopolstellung der IHK am Ausbildungsmarkt, welche der aktuellen Umsetzungspolitik zur genehmigungspflichtigen Tätigkeit als Hundetrainer geschuldet ist, kann sich keine Qualitätssicherung im Hundetrainermarkt ergeben.
Thema: Tierschutzgesetz und der Tierschutz allgemein (Quelle: PETA)
1. Beispiel - Textilindustrie
Nach jahrelangen intensiven Protesten von Tierrechtlern hatte die Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf im Sommer 2006 bekannt gegeben, keine Echtpelzprodukte mehr einzukaufen. Einzig Lammfelle waren in der damaligen Pelzfrei-Erklärung noch nicht mit eingeschlossen. Aktuell verkauft Peek & Cloppenburg jedoch wieder Parkas von Woolrich und Peuterey oder Loop-Schals von Marc Cain mit Kaninchenpelz. PETA-Aktivisten waren bei Kontrollen in mehreren P & C-Filialen fündig geworden.
Bei den von P & C angebotenen Pelzparkas wird auch das Fell von speziell für Pelz gezüchtete Rex-Kaninchen verwendet. Ihr Fell ist frei von harten Deckhaaren. Nach nur vier Wochen werden die Jungtiere von ihren Müttern getrennt und in winzige Einzelkäfige gesperrt, damit sie ihren Pelz nicht durch stressbedingte Kämpfe beschädigen. Doch auch sogenannte weiße Mastkaninchen leiden in der Gruppenhaltung. Die sensiblen Tiere haben meist keine Möglichkeit zu buddeln, ausgiebig zu hoppeln oder sich zurückzuziehen. Viele Babykaninchen sterben auf Farmen bereits innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Geburt qualvoll: durch Verhungern, Vernachlässigung durch ihre Mutter, Kannibalismus oder weil sie von Artgenossen zerdrückt werden.
Je nach „Rasse“ sind Sterblichkeitsraten von 10 bis über 70 Prozent in der Kaninchenzucht eine erschreckende Realität und von den Züchtern einkalkuliert. Kranke oder schwache Kaninchen werden von Farmern häufig ohne Betäubung durch Zerdrücken oder Erschlagen an Metallgittern getötet oder noch lebendig in die Kadavertonnen geworfen. Überleben die Tiere diese tierquälerischen Missstände auf den Farmen, wird Ihnen letztendlich im Schlachthaus mit einem Messer die Kehle aufgeschnitten - häufig bei vollem Bewusstsein.
Verhältnismäßigkeitsprinzip: Solange diese Herstellungs- und Verkaufspolitik in Deutschland möglich ist, wirkt die aktuelle Einschränkung des Tierschutzgesetzes zu einer Hundetrainertätigkeit geradezu krotesk und nicht im Verhältnis und Wertigkeit eines im Tierschutzgesetz definierten Kontrollmechanismus zu anderen Bereichen.
2. Beispiel - Süsswarenproduktion
Um nicht nur die Textilindustrie als Beispiel ins schlechte Licht zu rücken, blicken wir Richtung Süßwaren. Die Advents- und Weihnachtszeit ist dank der gesteigerten Nachfrage von Süßwaren eine gute Zeit für die Schokoladen-Hersteller. Für Mars Inc. und seinen deutschen Partner Masterfood stehen allerdings unruhige Zeiten bevor. Die internationale Tierrechtsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) startet jetzt eine weltweite Kampagne gegen den Produzenten von Mars, Snickers, Bounty, Twix und Co. Der Süßwaren-Gigant ist in die Kritik der Tierrechtler geraten als diese herausfanden, dass Mars Inc. in den USA grausame und tödliche Tierversuche an Kaninchen, Meerschweinchen, Mäusen und Ratten finanziert und durchführen lässt. Dabei ist nicht ein einziges der Experimente von Mars Inc. in den USA vom dortigen Gesetzgeber vorgeschrieben.
Derzeit finanziert Mars ein tödliches Experiment an Ratten, mit dem der Effekt von Schokolade auf deren Blutgefäße getestet werden soll. Experimentatoren haben Ratten mit Hilfe von Plastikschläuchen zwangsernährt und dann die Beine der Tiere aufgeschnitten, um eine Arterie freizulegen, die abgeklemmt ist, um den Blutfluss zu stoppen. Nach dem Test werden die Tiere getötet. Des Weiteren finanziert Mars grausame Experimente an Mäusen, in denen den Tieren ein Inhaltsstoff einer Süßigkeit verabreicht wurde und sie dann gezwungen wurden, in einem Becken mit Wasser und Farbe zu schwimmen. Die Mäuse mussten eine versteckte Plattform finden, um nicht zu ertrinken – nur um daraufhin getötet und seziert zu werden.
In einem weiteren von Mars unterstützten Test, wurden Ratten mit Kakao gefüttert und mit Kohlendioxid betäubt, so dass man ihnen Blut, direkt aus dem Herzen, mit einer Nadel abzapfen konnte – das führt häufig zu inneren Blutungen und anderweitigen, tödlichen Komplikationen.
PETA-Präsidenten Ingrid Newkirk: "Kein Schokoriegel der Welt ist es wert, dass Tiere so sehr leiden müssen.“
Verhältnismäßigkeitsprinzip: Warum die Politik durch Verschärfung der Gesetzgebung nicht in dieser Brunche Maßnahmen einleitet, bleibt wohl ein Mysterium. Zumal Mars mit seinem deutschen Partner Masterfood der führende Futtermittelhersteller in Deutschland ist und sich somit gleichfalls im Dienstleistungssegment der Hundehaltung als Marktführer mit Hundefutter zeichnet.
3. Beispiel - Lebensmittelindustrie
Um nicht nur Luxusgüter wie Pelz oder Süßwaren in den Focus zu stellen, ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie. Laut einer Studie sterben in deutschen Schlachthöfen jedes Jahr etwa 180.000 ungeborene Kälber im Mutterleib – sie ersticken langsam und qualvoll, während ihre Mütter am Schlachterhaken ausbluten. Experten gehen davon aus, dass diese Kälber einen qualvollen Tod sterben. Denn nur das Muttertier wird durch einen Bolzenschuss betäubt. Auf das ungeborene Kalb hat der Bolzenschuss keine Wirkung. Es verendet einige Minuten später durch Sauerstoffmangel ohne Betäubung. Dieses Vorgehen ist ganz legal: Sowohl die deutsche Tierschutzschlachtverordnung als auch die entsprechende EU-Verordnung enthalten keinerlei Vorgaben zum Umgang mit tragenden Nutztieren. Der Grund dafür ist laut Kritikern meist ein wirtschaftlicher: Sobald Kühe ihre Milchleistung nicht mehr erfüllen, werden sie ausgemustert, auch wenn sie ein Kalb in sich tragen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium räumt zwar ein, dass es "wissenschaftlich begründete Anhaltspunkte“ für ein Leiden der Tiere gebe, sieht seine Einflussmöglichkeiten aber offenbar begrenzt. Die EU-Schlachtverordnung eröffne "keine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, nationale Regelungen in Bezug auf die Schlachtung tragender Rinder in Schlachthöfen zu erlassen.“
Verhältnismäßigkeitsprinzip: Dem Hundetrainer und Hundebetreuer wird lediglich tierschutzrelevante Verstöße unterstellt und als Präventivmaßnahme eine Sachkunde abverlangt. So weit so gut! Aber bestätigte Tierquälerei wird im Vergleich mit Handlungsunfähigkeit erklärt somit hingenommen und in die Verantwortung der Käuferschaft übertragen.
FAZIT: Die Novellierung des Tierschutzgesetzes vom August 2013 ist schwer nachzuvollziehen, wenn man die allgemeinen tierschutzrelevanten Defizite neutral betrachtet. Warum der Hundetrainer im Vergleich zu Unternehmen wie Peek & Cloppenburg sowie Mars und Masterfood diese Fokussierung erhalten musste ist nicht nachvollziehbar und steht in keiner Verhältnismäßigkeit. Jedenfalls nicht aus tierschutzrelevantem Blick. Die Wirtschaftlichkeit des Marktes hat wohl eher zur Handlungsnotwendigkeit geführt. Betrachtet man die Umsetzungspolitik zum § 11 TG ist doch erstaunlich welchen Einfluss man auf diesen Dienstleistungsmarkt nehmen möchte. Einfluss der im Vergleich jegliche Verhältnismäßigkeit fehlen lässt.
Täglich werden hunderttausende Tiere im Namen der Mode auf Pelzfarmen gequält und später getötet. Jeder Echtpelzkragen oder jeder noch so kleine Echtpelz-Besatz am Ärmel, an Stiefeln oder als Accessoire steht für ein kurzes Tierleben voller Leid, Qual und Entbehrung in winzigen, verdreckten Drahtkäfigen. Pelzzüchter brechen Füchsen, Nerzen, Kaninchen oder auch Hunden mit Eisenstangen das Genick, verbrennen ihre inneren Organe mit analem Stromschlag oder vergasen sie qualvoll. (Quelle: PETA) Hier schiebt die Politik die Verantwortung an die Käuferschaft, statt Einfuhrsanktionen zu verhängen. Beim Hundetraining wird hingegen der Hundehalter entmündigt und ihm vorgeschrieben, ob sein Trainer und Betreuer zukünftig die tierschutzrelevante Qualität besitzt und von ihm gebucht werden darf.