Schwindel-Liste

Hunderassen die darauf benannt werden erhalten einen gesellschaftlichen Stempel, der sich bei direktem Kontakt zu solchen Hunden immer wieder in Überreaktionen widerspiegelt. Selbst Beamte zeigen Nerven, was der letzte Fall in Rüsselsheim zeigte. Es werden keine Individuen betrachtet sondern lediglich rassespezifische Merkmale, die allerdings jeglicher Vernunft und Kenntnisse fehlen lassen.
Merkmale der Listenhunde in der Bundesrepublik Deutschland:
Die heutige Rasseliste ist im Kontext der Hundehaltung eine Liste von Hunderassen, die rassebedingt als gefährlich angesehen werden oder bei denen eine Gefährlichkeit vermutet wird. Man suggeriert der Gesellschaft ein Rassebild mit Gefahr für Leib und Leben. Die von den Rasselisten erfassten Hunde werden als Listenhund bezeichnet; für deren Haltung verschiedene Einschränkungen gelten. Neben einem Verbot der Haltung gewisser Rassen sind rassespezifische Einschränkungen bei der Haltung zu erwarten. Dazu gehören Sonderregelungen wie Leinenzwang, Maulkorbpflicht, Genehmigungspflicht, Gebot der Unfruchtbarmachung, oder das Ablegen eines Wesenstests. Zu guter letzt muss dieser Hund als genehmigter gekennzeichnet sein, was über eine besondere Hundemarke erfolgt. Aber der Dauerbeißkorbzwang erledigt die Kennzeichnung zum „gefährlichen Hunde“ eigentlich von selbst.
Merkmale eines gefährlichen Hundes:
Natürlich sind nicht alle Hunderassen gleich in ihrer Verhaltenssteuerung, auch werden sie nicht als Tabula Rasa geboren. Ihr Verhaltensinventar wie z.B. bestimmte Reaktionsnormen können sehr unterschiedlich und durchaus rassekennzeichnend sein. Ein Hund, unabhängig seiner Rasse, entwickelt sich in ständiger, feindifferenzierter Wechselwirkung mit allen Reizen seines Umfeldes. Und so kommt es zu höchst unterschiedlichen Verhaltensausprägungen bei Tieren einer Rasse. Dies gilt auch gerade für das Aggressionsverhalten. Natürlich gibt es Mensch-Hund-Beziehungen, die Indikatoren einer potentiellen Gefährdung aufweisen. So können Größen, Kräfte, wie auch bestimmte Verhaltensmerkmale eines Hundes für das Zusammenleben mit bestimmten Menschen tatsächlich gefährlich sein. Große Hunde oder Hunde bestimmter Rassezugehörigkeit deshalb aber zunehmenden Haltungsrestriktionen zu unterwerfen oder sie gar zu verbieten, "aussterben" lassen zu wollen, ist keine Lösung. Verhaltensbiologisch ist jedenfalls eine "gefährliche Rasse" nicht zu benennen. Es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori, eine gesteigerte "Gefährlichkeit" zuzuschreiben.
Ziele werden verfehlt, da die Liste keine Lösungen ist:
Rassenkataloge, die "Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit" auflisten, sind irreführend, weil der Objektivität entbehrend. Sie fördern hingegen einen Hundemissbrauch, indem die bestimmten Rassen für eine bestimmte Klientel erst attraktiv werden. Rasselisten erschweren die Hundehaltung ungemein. Von Nachbarschaftsverleumdungen, über Beschimpfungen von Passanten, hin zur sozialen Isolation, führt die Haltung bestimmter Hunderassen heute oft zu einer enormem psychische Belastung der Hundehalter. Die Folge ist vermehrte Abgabe dieser Hunde in Tierheime und durch die geringe Vermittlungsquote dieser Hunde, hin zu einem für die meisten Tierheime unlösbaren Problem. Damit hört es aber noch nicht auf! Auch die betreffenden Hundeindividuen nehmen, durch häufigen Halterwechsel, Schaden und werden dadurch erst zu Problemhunden, die schwer einschätzbar und gefährlich reagieren können. So entsteht ein gefährlicher Hund!
Bei biologisch ausgerichteter Zucht und ebensolcher Aufzucht, Ausbildung und Haltung, wird keine sog. Listenhundrasse gefährlicher, als andere große und kräftige Hunde. Sie können hingegen viel ausgeglichener und berechenbarer im Verhalten sein. So eignen sich etwa American Staffordshire Terrier gut zur Arbeit als Therapiebegleithunde oder Suchhunde. Die Erfahrung habe ich mit unserer Therapiehundausbildung persönlich immer wieder machen können. Aber selbst ein nachweislich gut ausgebildeter Listenhund im Einsatz als Therapiehund, hat Schwierigkeiten Einsatzmöglichkeiten zu erhalten. Hier siegt der durch die Listendefinition provozierte und gesellschaftlich emotional besetzte Blick zu den durch die Liste definierte Gefährlichkeitsvermutung.
Therapiebegleithunde sind in vielen Einrichtungen gern gesehen, als Golden Retriever oder Labrador. Bedient er ein äußeres Schema nicht, ist hingegen viel Aufklärung nötig – Wesen und Ausbildungsnachweis hin oder her.
Wo es die eine Seite gibt, folgt natürlich auch die andere. Bilder von Bull-Rassen mit Wellensittich auf dem Kopf und Babys auf dem Rücken sollen das Gegenteil von Gefährlichkeit suggerieren. Dadurch wird natürlich die Notwendigkeit von Erziehung und Haltungsbedingungen verharmlost. Ein Hund dieser Rassezugehörigkeit muss keine Ersthund für Familien mit Kindern im Krabbelalter sein. Dies gilt natürlich ebenso für andere große Rassen. Diese Darstellung kann fatalerweise bei gerade völlig ahnungslosen Hundehaltern, die Hunde schlicht nach ihrem Exterieur aussuchen, beim Hund zu Verhaltensweisen führen wie aktuell in Rottweil geschehen.
Wie jeder Hund gehören auch die sog. Listenhunde zu Menschen mit vertieften Kenntnissen zum hundlichen Verhalten und Erfahrungen mit Hunden. Aus diesem Grund sollte die Aufklärung hundlichen Verhaltens in das Bildungssystem integriert werden. Sollte bereits im Vorschulalter der richtige Umgang mit Hunden vermittelt werden können. Unabhängig ob ein eigener Hund im Haushalt lebt oder nicht. Nur über Aufklärung und gesellschaftliche Integration der Hundehaltung können Unfälle verringert werden. Ängste schüren hingegen gegenteiliges mit umfangreichen Folgen für alle Beteiligten.