Cesar Millan - Ein Hundetrainer der polarisiert

Berlin 23.September 2014, Max Schmeling Halle.
Es regnet, die Parkplatzsituation vor der Halle ist katastrophal. Um die Halle herrscht das pure Verkehrschaos. Begleitet von deutscher Gründlichkeit, sind aber Ordnungsbeamte in mehreren Streifen zu beobachten. Sie beheben zwar das Chaos nicht, verteilen aber motiviert Strafzettel für Falschparker.
Mit diesem Empfangseindrücken betreten wir die Halle, denn es konnte nur besser werden. Unsere „Meet and Greet“ Karten versprachen uns Nähe zum Trainerstar. Die Sitze direkt an der Bühne ließen den Preis schon mal rechtfertigen. Mir war klar…von hier hab ich Einblick in die energetische Arbeit des Trainerstars.
Dann startete die Show mit Steven Gätjen, der als Übersetzer Millans die Show begleitete. Aber nicht nur das, sein Showtalent stimmte die Halle auf den Mexikaner ein. Die Symbiose zwischen Gätjen und Millan wirkte, als hätten sie von je her zusammengearbeitet. Ein tolles Team! Gätjen übersetzte mit einer lockeren und humorvollen Art, ohne vom Showakt abzulenken. Der kleine Millan wirkt charismatisch ganz groß, locker und ehrlich! Keine amerikanische Überzogenheit und übertriebene Showmentalität.
Er wird sehr schnell persönlich und erzählt seine Geschichte. Wie er in ärmlichen Verhältnissen in der Provinz Mexikos aufwuchs, ohne dem Wissen arm zu sein. Sein Leben wird untermalt von Bildern auf der riesigen Leinwand hinter ihm. Er zeigt seine Familie und seinen Großvater, der großen Einfluss auf den kleinen Cesar hatte. Er beschreibt das Leben mit den Hunden in Mexiko und wie er lernte zu den doch selbstständigen und oft auf sich gestellten Tieren einen Bezug aufzubauen. Wie er ihr Miteinander beobachtete und ihre Kommunikation immer mehr verstand. Er erzählt von seinem Motiv für ein besseres Leben nach Amerika zu gehen und von zwei Jahren Obdachlosigkeit. Sein Ziel, der beste Hundetrainer der Welt zu werden, verlor er dabei nie aus den Augen. Diese neue Welt zeigt dem 21 jährigen Cesar auch völlig neuen Umgang mit dem Hund. Er definiert eine eigene Überrasse, den „American Dog“! Fettleibig, unerzogen und völlig vermenschlicht. Wenig Auslauf und durch die Haltung in Kontrollzwänge gedrückt. Nun erzählt C.M. von seinen ersten Trainingsaufträgen und das unterhaltsam und anschaulich. Die Halle tobt!
Nach etwas über einer Stunde folgt eine Pause. Etwas befremdlich wirken auf mich junge Mädels, die zu mir in die vorderste Reihe kommen und um Übersendung von Handyfotos bitten. Ich bin noch nie so schnell an Telefonnummern junger Frauen gekommen. Diese etwas befremdliche Situation sollte sich zum Ende der Show aber noch verstärken.
Im zweiten Teil stellt der Showakt dann Lerngrundlagen von Hunden da. Ich kann sagen, alles richtig und auf den Punkt gebracht. Cesar erklärt wie und wodurch man eine Beziehung zu seinem Hund gestaltet und aufbaut. Parallel zeigt er, mit einem zwinkernden Auge, was sich hingegen die Hundehalter von heute einfallen lassen, um den Vierbeiner zu kontrollieren. Er zieht sich eine Weste über, diese ist bestückt mit Leckerchenbeutel, Kuscheltieren als Beutemotiv und auf dem Rücken zwei über Kreuz befestigte Ballschleudern. An der Reaktion im Publikum lässt sich abzeichnen, dass sich einige wiedererkennen. Die ersten Hunde werden auf die Bühne gebracht. Auffallend ist eine junge Frau am Bühnenrand, die etwas verunsichert und schüchtern dem Treiben zuschaut. Ich vermute im Besitz einer Sachkunde gem. § 11 Tierschutzgestetz. Ah, die Anstandsdame!?
Zunächst konzentriert sich Cesar auf die Halter und die vielen Kleinigkeiten, welche korrigiert, eine große Wirkung am Hund erzielen. Dazu nimmt er Einfluss vorrangig auf Leine und Körperhaltung. Seine bezeichnete Energie ist übersetzt, die Korrektur nonverbaler Ausdrucksweisen, gegenüber dem Hund. Seine eingesetzten Motivatoren für den Hund hingegen sind Futter oder Ball. Nichts neues, aber von Millan eigen und anders dargestellt. Nichts spektakuläres, aber Wege der Veränderung in der Halter/ Hunde Beziehung.
Nach vier Beispielen ist dann auch die Show vorbei und nun beginnt das eigentlich für mich spektakuläre. Als wäre es der Auftritt einer Boyband, stürmen plötzlich die Fans Richtung Bühne, schreiend nach Autogrammen und Selfies. Es wirkt wie ein unkontrolliertes Hunderudel, dass sich im Beutemodus in Bewegung gesetzt hat. Die Ersten Versuchen sogar über unsere Stühle zu klettern, ohne Rücksicht darauf, wer dort noch sitzt. Ich muss erste Grenzen setzen, selbstverständlich Nonverbal. Ich muss feststellen, dass mit einer gewissen Leinenführung die Meute kontrollierbarer zum Idol gelangt wäre. So wurde eine enorme Energie spürbar, getragen von Stress, Hektik, Freude und Angst! Denn wer es zur Bühne geschafft hat, kommt kaum wieder weg, da von hinten nachgedrückt wird. Dieses Chaos verliert sich nach etwa einer halben Stunde, nachdem ihr Gott die Bühne verlässt.
Nachdem sich die Halle nun langsam leerte wurden die „Meet and Greet“ Karteninhaber abgeholt und in den Backstagebereich geführt. Dort empfing uns der Tourmanager. Sehr freundlich gab er zu verstehen, dass er in seiner Funktion ersetzbar sei, Cesar jedoch nicht. Dass Cesar schon neun Stunden in der Halle sei und man ihn schonen solle. Beiläufig erwähnt, schlug er vor, auf eine Fragerunde zu verzichten. Dafür könne man in persönlichen Kontakt treten, ein Foto oder Autogramm erhalten. Alle Anwesenden zeigen sich einverstanden, wenn auch etwas enttäuscht. Irgendwann sind wir an der Reihe und was ich erleben darf ist ein Mensch, der eine große positive Aura besitzt. Ein ehrlicher Typ der für jeden Spaß zu haben ist. Mir nimmt er meine Visitenkarte aus der Hand, liest sie laut vor, hält sie in die Kamera. Drei, vier Fotos entstehen! Dabei kurzen Smalltalk, die Karte möchte er behalten.
Fazit: Cesar Millan hab ich als einen von Grund auf ehrlichen und zugänglichen Menschen kennenlernen dürfen, der nicht vergessen hat woher er kommt. Er besitzt den Bezug zur mexikanischen Hundehaltung und den der amerikanischen. Das kritisierte „Dominieren und dann Trainieren“, konnte ich nicht erkennen. Er zeigt hingegen viel Liebe zum Hund und zu Menschen generell. Und so ist sein Trainingsansatz eher als „Kontrollieren, um dann zu trainieren“ zu werten. Er hat sich dem American way of Life im Umgang mit Hunden angepasst. Ich bin aber überzeugt, dass ihn seine Eindrücke aus Europa abermals verändern. Um ihn zu bewerten, oder zu verurteilen, wäre es wichtig, eigene und vor allem persönliche Erfahrungen mit ihm zu machen. Meine ist, er ist ein toller Typ und positiver Mensch. Ein Magier ist er sicher nicht! Er hat Erfolg und das nicht ohne Grund. Dahinter steckt harte Arbeit. Was er tut ist das 1×1 der Hundehaltung solide verpackt zu vermitteln. Als Trainer ist er gut, als Mensch aber eine große Nummer. Er kann aber auch nur das weitergeben, was er weiß. Nicht mehr und nicht weniger! Er will den Menschen und letztendlich ihren Hunden helfen. Er kennt dafür seine Wege...die nicht jedermanns sind. Er ist letztendlich amerikanisch geprägt und das ist nicht mit jedem kompatibel. Aber er ist lernfähig, denn er will gutes tun!