Partner Hund –ein Kumpel der anderen Art
In meiner Arbeit mit Menschen und ihren Hunden stelle ich immer wieder fest, dass der Auslöser für Verhaltensauffälligkeiten bei den Vierbeinern einer vorangegangenen Vermenschlichung durch seinen Halter zu Grunde liegt.
Erst heute hab ich wieder eine mit Pelz bekleidete Hundehalterin gesehen, die ihren Dackel in eine Decke eingewickelt im Kinderwagen spazieren fuhr.
Wenn ich gerufen werde, um am Hund Verhaltensweisen zu ändern, treffe ich auf Sichtweisen über den Hund, die ihrem eigentlichen Wesen so gar nicht entsprechen. Mein Trainingsschwerpunkt liegt dann zunächst darin, die Verhaltensweisen und Wahrnehmungen des Hundes zu erläutern.
Hundehalter tendieren dazu, ihren tierisch besten Freund wie einen guten Freund zu behandeln. Für den ist man schließlich immer da. Die gemeinsame Zeit wird mit dem Ziel nach Harmonie, gleichberechtigt und freundschaftlich hilfsbereit, aufgebaut. Dagegen ist auch erstmal nichts einzuwenden. Aber bevor man eine Freundschaft lebt, muss man sie aufbauen und gestalten. Dazu muss der eine Freund den anderen richtig einschätzen können um ihn richtig zu verstehen.
Hundehalter teilen sich gegenüber dem Hunden oft und gern mit vielen Worten mit, ohne zu wissen, dass dieser den begrifflichen Inhalt des Gesagten gar nicht nachvollziehen kann. Viele Hunde werden heute nicht nur verwöhnt, sondern förmlich hofiert. Sie werden von a nach b getragen, statt laufen zu lassen. Ihnen werden die Türen nicht nur geöffnet, sondern geradezu aufgehalten. Und es werden ihnen mehr Freiräume gestaltet als Grenzen vermittelt. Sie werden aus scheinbar problematischen Lebenssituationen rausgenommen, anstatt ihnen auch Erfahrungen zu zugestehen. Eigentlich lernt man grade daraus. Hunde werden heute eher begleitet, statt angeleitet.
Ich habe aus vielen Gesprächen mit Hundehaltern die Erfahrung gemacht, dass sich ihre Hundehaltung oft problematisch entwickelte, weil sie eigenes Empfinden auf den Hund übertragen. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches, denn schuld daran ist unser ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Damit sind wir uns selbst bewusst, können unsere Gefühle erklären und definieren. Dadurch sind wir Menschen aber auch in der Lage, Emotionen anderer nachzuempfinden und deren Andersartigkeit. Wir besitzen die Wahrnehmung des „ICH und DU“! Wir sollten diese Fähigkeit nutzen, um die Andersartigkeit des Hundes zu erkennen, zu akzeptieren und zu berücksichtigen. Dann werden viele Fehler im Umgang miteinander vermieden.
Erster Grundsatz: Hunde nutzen Instinkte und Triebe, Menschen Emotionalität und Spiritualität.
Andere Form von Empfindungen!
Hunde haben (zwar auch) Gefühle, diese sind aber nicht ganz so komplex wie beim Menschen. Hunde besitzen kein Selbstbewusstsein, demnach kein „Ich bin ich und Du bist Du“! Hunde definieren viel mehr! Äußere Einflüsse werden durch sie in Relation gesetzt zu bereits gemachten Erfahrungen und mit Empfindungen verglichen. Diese sind entweder angenehm oder unangenehm.
Mit unserer Körperhaltung, Mimik und Gestik geben wir unserer Emotionalität einen Ausdruck. Für Menschen ist der Körperausdruck bei Freude, Trauer, Wut oder Angst, erkennbar und nachvollziehbar. Wir deuten die Signale einer Emotion zu. Ein Hund hat so ein Nachempfinden nicht. Ein körperlicher Ausdruck weckt bei ihm lediglich angenehmes oder unangenehmes Empfinden und setzt darauf eine Reaktion frei.
Ein ängstlicher Hund braucht somit keinen Trost! Zuwendung durch Mitleid führt nicht dazu, dass sich das Tier sicherer fühlt, sondern bestätigt viel mehr sein negatives Empfinden. Die Folge; er wird in dieser und vergleichbaren Situationen immer ängstlicher. Hunde untereinander und ohne Einfluss des Menschen, ignorieren beispielsweise einen unsicheren Sozialpartner und signalisieren ihm dabei, dass seine Angst unbegründet ist. Körpersprachlich drücken sie nämlich Neutralität, Souveränität und Stabilität aus, was sich somit auch auf den „Angsthasen“ überträgt.
Wichtiger Tipp: Hunde beobachten Körperhaltung und verschaffen sich darüber Informationen. Einem Hund gegenüber sollte man körperlich das zum Ausdruck bringen, was bei dem Hund erzeugt werden soll. Mitleidsbekundungen lösen Unsicherheit aus. Trost verstärkt Ängste.
Unterschiedliche Wahrnehmung!
Vielen ist zwar bewusst, dass wir Menschen andere Wahrnehmungsschwerpunkte haben als Hunde. Aber ein Hund hört nicht einfach nur besser, sieht anders und riecht intensiver! Er setzt seine Sinne auch anders ein. Was bedeutet das im Umgang mit ihm?
Der Mensch nimmt sein Umfeld in einer bestimmten Reihenfolge war. Zunächst über sehen, gefolgt von fühlen und hören und zu guter Letzt geruchlich. Der Hund hingegen wird zunächst durch riechen, über das sehen, gefolgt von hören und fühlen an den Informationserwerb gehen. Mit diesem Hintergrund stellen wir uns jetzt einmal eine Begegnung beider vor: Ein Mensch versucht einen fremden Hund also zunächst visuell einzuschätzen, verspürt dann das Bedürfnis ihn berühren zu wollen, um danach oder dabei auf seine Laute zu achten und zu guter Letzt zu prüfen ob er gut riecht. Der Hund in dieser Situation versucht zuerst festzustellen, ob er diesen Menschen überhaupt „riechen kann“, prüft dabei visuell die Körpersprache der Person, hört dann auf Laute und möchte ihn erst danach fühlen. Beachtet man diese Reihenfolge bei einer Hundebegegnung nicht, kann die falsche Herangehensweise bei dem Hund, Abwehrverhalten auslösen.
Wichtiger Tipp: Ein Hund sollte zu Menschen kommt, nicht umgekehrt! Der Mensch muss dabei seinen körperlichen Ausdruck dem Verständnis des Hundes anpassen. Hinhocken, Blick abwenden, langsame Bewegungen! Keine tiefe Stimmlage nutzen! Und Berührungen erst, wenn der Hund sich entspannt und zugänglich zeigt.
Anderes Zeitempfinden!
Hunde leben in der Gegenwart in der sie instinktiv ihre Grundbedürfnisse stillen möchten. Diese sind vorrangig Schutz und Sicherheit, Nahrung, Wasser und Paarung. Ihr ganzes Handeln zielt darauf aus. Ist ein Bedürfnis bedient, orientieren sie sich zum nächsten. Das ist der Sinn ihres Lebens! Sie haben ihn also bereits gefunden und suchen nicht mehr, so wie wir Menschen, danach. Das Ziel nach Kreativität und Selbstverwirklichung, Karriere und Selbstbestimmung, verfolgen sie nicht. Sie gehen rein instinktiv vor und nicht intellektuell oder spirituell. Ihre Wege zum Ziel sind dabei nach Möglichkeit kurz, direkt und präzise ausgerichtet.
Einem Hund ist auch schlichtweg egal, was gestern war und morgen sein wird. Wir Menschen brauchen also nichts wieder gut machen, oder zukünftiges erklären oder ankündigen. Wie oft werden Hunde aus schlechter Haltung bemitleidet, weil etwas gut gemacht werden muss. Wie oft kündigen wir an, dass „Paule“ jetzt mal zwei Stunden allein bleiben muss. Es wird erklärt, dass man bald wieder da ist und er keine Angst haben muss!? Halter müssen einfach lernen mehr darauf zu achten, was sie ihrem Hund wirklich mitteilen und bei ihm hervorrufen. Denn es ist nicht wichtig, was ich ihm mitteilen wollte, sondern was bei ihm angekommen ist.
Fazit: Mensch und Hund ähneln sich in vielem, sind sich aber nicht gleich! Die Emotionalität des Menschen ist komplexer und er strebt nach Selbstbestimmung, Auslastung seiner Kreativität, Spiritualität und sucht nach dem Lebenssinn. Übertragen wir unser Denken und handeln auf Hunde, werden wir sie überfordern und von ihnen missverstanden. Wir müssen uns vereinfacht mit ihnen auseinander setzen. Ein Hund benötigen von uns zu allererst Stabilität in einer Welt die er nicht versteht.